Zur gemeinsam mit der GEW durchgeführten Veranstaltung war der Veranstaltungssaal des Konsul - Hackfeld - Hauses prall gefüllt. Während Lehrkräfte, pädagogische Mitarbeiter, Sozialpädagogen, Schulleitungen und Mitarbeiter aus den ReBUZ aus Bremen und Bremerhaven zahlreich erschienen waren, glänzten die politischen Parteien, außer der Fraktion der Grünen, durch Abwesenheit. Auch die Senatorin für Soziales war leider nicht vertreten. Dies war umso bedauerlicher, als dass die Umsetzung der Inklusion nicht an der Schultür endet und viele Maßnahmen und Initiativen an der mangelnden Kooperation zwischen den Ressorts Bildung und Soziales scheitern.
Aus dem Haus der Bildungssenatorin waren die Referenten Frau Hermann Weide und Herr Kehlenbeck anwesend. Für sie war der Abend offensichtlich eine Gelegenheit zur Information. Stellungnahmen, die neue Initiativen der Bildungsbehörde zur Sicherung und Weiterentwicklung der Inklusion zum Gegenstand gehabt hätten, waren von ihnen nicht zu hören.
Dass gute und verlässliche Rahmenbedingungen bei der Umsetzung der Inklusion unverzichtbar sind und während des Prozesses die Rahmenbedingungen der Inklusion nicht verändert werden sollten, merkte die auch im Podium anwesende Professorin Frau Dr. Schnell in ihrem Eingangsreferat an. Ebenso ist die derzeitige Gliederung des Schulsystems in Oberschulen und Gymnasien ihrer Überzeugung nach nicht mit einem inklusiven Schulsystem vereinbar. Eine inklusive Schule muss eine Schulform sein, die offen für alle Kinder und Jugendlichen ist und ebenso eine gute Ausstattung habe, forderte der Vertreter der GEW Christian Gloede.
Der Landesbehindertenbeauftragte Herr Dr. Steinbrück erläuterte, dass die gegebenen Ressourcenversprechen nicht eingehalten werden konnten, Die so genannte demografische Rendite habe sich als Luftblase für die Finanzierung entpuppt. Hier müsse endlich mehr Mut zu Korrekturen in der Finanzierung seitens des Landes aufgebracht werden.
Walter Henschen, ehemaliger Referatsleiter, berichtet von falsch gewählten Begrifflichkeiten wie die „Inklusionsklasse", die die Inklusion ad absurdum treiben. In dem einmaligen Zeitfenster zur Einführung der Inklusion sei es versäumt worden, notwendige Standards zur Inklusion festzulegen. Auch in dem Paradoxon der Ziele der Schulen, Leistung und Inklusion sieht er ein gravierendes Problem.
Die Schulleiterin der Grundschule „Schule Pfälzer Weg", Frau Lassek, gab die Einschätzung ab, dass wegen des Bemühens die Inklusion in der Sekundarstufe halbwegs hinreichend auszustatten, der Inklusionsprozess in den Grundschulen an vielen Standorten sich tendenziell rückläufig entwickelt hat. In den vergangenen Jahren sei eine Verschlechterung der personellen und materiellen Ausstattung im Primarbereich geschehen, die die inklusive Beschulung tendenziell nicht mehr möglich macht.
Die unzureichende Ressourcenausstattung gerade der Schulen in sozialen Brennpunkten wurde von den zur Podiumsdiskussion geladenen Fachleuten und erkennbar vom Publikum kritisiert. Diese instabilen und schlecht angewählten Schulen müssen auch über mehr Ressourcen stabilisiert werden, damit die Inklusion nicht als leeres Versprechen endet, oder weit hinter den schon vor der Reform bestehenden Standards bei der schulischen Versorgung für Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischen Förderbedarf zurückfalle.
Skepsis herrschte bei den Anwesenden hinsichtlich der seitens der Bildungsbehörde bundesweit verbreiteten Meldung, das inklusive System habe schon nach wenigen Jahren die Ouote der Schülerschaft mit sonderpädagogischem Förderbedarf deutlich gesenkt. Hier zeigen sich allenfalls die Auswirkungen der schlechten Ausstattung der ZUP, die personell nicht in der Lage sind, eine Diagnostik durchzuführen, aus der dann abzulesen ist, dass umfängliche und langandauernde Hilfsmaßnahmen benötigt werden. Der Verzicht auf eine Statuszuschreibung ist einer Förderbedarfsplanung gewichen, die den ZUP immer dann um die Ohren geschlagen wird, wenn notwendige Ressourcen eingefordert werden. Immer dann, wenn Stunden und Ausstattung notwendig werden, fordert die Schulaufsicht umfassende Gutachten an, um dann doch nur auf die schon vorhandenen Möglichkeiten in den Schulen hinzuweisen. Bei den ohnehin knappen Stundendeputaten verzichten viele Schulen auf Feststellungsverfahren, weil der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis zu den dann doch nicht bewilligten zusätzliche Stunden führt.
Die Landesvorsitzende des vds, Stefanie Höfer, betonte, dass die professionelle Ausbildung von Lehrkräften und die dann sicherlich verbesserte Grundhaltung gegenüber pädagogischen Herausforderungen durch die Schüler mit einem sozial-emotionalen Förderbedarf noch zu wenig entwickelt ist. Schüler mit extrem herausforderndem Verhalten können nur dann angemessen inklusiv beschult werden, wenn in den Schulen im Rahmen der ZUP oder in regionalen Zentren „Auszeiten" mit therapeutischen Hilfen und eine multiprofessionelle Arbeit mit dieser Schülergruppe ermöglicht werden. Hier müssen zeitnah Lösungen angeboten werden können, da die Belastungen in den Schulen zunehmend zu Eskalationen führen. Aussschluss, Psychiatisierung und eventuelle Fremdunterbringung als letzter Konsequenz sollten nicht hingenommen werden.
Der Elternvertreter bemängelt deutlich, die Unflexibilität in der Handhabung der unterschiedlichen Förderbedarfe durch die Behörde. Für die Eltern sei die Argumentation und der Weg der Behörde nicht nachvollziehbar.
Die Teilnehmer im Podium und auch die Besucher forderten dringlich, dass die bisher versäumte wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der seit Jahren laufenden Inklusion durch die Senatorin für Bildung und Wissenschaft nun endlich auf auf den Weg gebracht wird. In lediglich einem weiteren Bundesland, Sachsen Anhalt, wird so fahrlässig mit dem wohl anspruchvollsten schulpolitischen Projekt der letzten Jahre umgegangen. Ob dies am Ende aus der Furcht vor weitreichenden Nachbesserungen geschuldet ist? Manches spricht dafür.
Wir verweisen an dieser Stelle noch auf die Presseerklärung der Veranstalter vom 04.06.2014, die unsere Anmerkungen zur Veranstaltung gut ergänzt.
für den vds H. Balser, Landesreferent für den Förderschwerpunkt Lernen