In diesem Jahr fand die Fachtagung „Schule und Psychiatrie" (www.schups.org) vom 21. - 24 September in Münster statt.
Die Tagung stand unter dem Thema „Krisen können stark machen - aber wie? Resilienzfaktoren in der Schule für Kranke"
Während am ersten Abend ein Überblick über die vielfältigen Angebote der Beschulung im Rahmen von Psychiatrie und Krankenhaus in den jeweiligen Bundesländern im Vordergrund stand, boten die nächsten Tage ein interessantes Programm zu dem Thema aus Vorträgen und vielfältigen Workshops.
Ich war das erste Mal bei dieser Fachtagung dabei und aus unserem Bundesland (Bremen) als einzige angereist. Das Tagesprogramm und die Abendveranstaltungen gestalteten die Tage für mich anregend.
Die an einem See gelegene Tagungsstätte (Jugendhaus am Aasee) und das schöne Wetter taten ein Übriges.
Hervorheben möchte ich die Offenheit der Teilnehmer. Wo immer ich hinzukam, wurde ich aufgenommen, ins Gespräch gezogen und erhielt auf alle Fragen Antworten. Vielen Dank dafür!
Elke Wende-Löhner, Landesreferentin für Pädagogik bei Krankheit
Überblick über die Fachvorträge auf der SchuPs Versammlung
"Das Gehirn meiner Kunst. Kunst ist im Kopf" - Prof. Dr. Speckmann, Münster
Professor Speckmann erläuterte in seinem Vortrag die Vorgänge, wie unser Gehirn die Umwelt aufnimmt, Empfindungen bildet und Erfahrungen speichert. Er verwies auf die emotionale Komponente und erläutert dass es nahezu unmöglich ist, auf eine Sache ohne die an sie gekoppelten Erfahrungen und Emotionen zu reagieren. Kunst erlaubt es, einen neuen Blick auf einen Gegenstand/ Sache zu werfen und dadurch zu einer Neu- oder Umbewertung zu kommen.
"Kreativität und Humor - Lebenskrisen bewältigen" - C. Heeck, Münster
Mit Herz, Händen und Füßen berichtete Christian Heeck von seiner Arbeit mit schwer erkrankten Menschen. Er hält nichts davon, immer nur auf die sog. Lehrertechniken zu schauen und ermutigte uns, die „Lehrer-Rolle" auszuweiten und zu spielen. Es sei aufregend, bis zuletzt, Impulse zu geben und Leben zu wecken. Der Fokus müsse auf dem liegen, was funktioniere. (www.humorundlebenssinn.de)
"Schule als Chance! Schulbasierte Prävention psychischer Störungen" - Prof. Dr. Hillenbrand, Oldenburg
Zunächst verwies Hr. Hillenbrand darauf, dass auch im Rahmen der Schule für Kranke (SfK) der Auftrag der Inklusion bleibe. Interessant war dabei, dass dieser Begriff für ihn prozessualen Charakter hat, d.h. es gibt nur einen Weg hin zu mehr Inklusion (Inklusion als Ziel/Ideal). Inklusion muss nicht „a la Mainstream" in einer Einheitsschule aufgehen und Sonderschulen per se müssen seiner Meinung nach nicht abgeschafft werden, sich aber öffnen und inklusiv arbeiten. Ihnen kämen die Aufgaben einer allgemeinen und spezielleren Unterstützung zu. Dabei geht er davon aus, dass bei 15% aller Schüler selektive, zeitlich begrenzte Maßnahmen und bei 5% der Schüler langfristige Maßnahmen indiziert sind.
In diesem Zusammenhang könnte die SfK folgenden Beitrag leisten:
- universell: Schüler-, Lehrer- und Elternberatung
- selektiv: sozial- emotionale Förderprogramme
- indiziert: Begleitung in der Re- Integration
Im Anschluss an diese eher allgemeinen Hinweise stellte Prof. Hillenbrand effektiv nachgewiesene Maßnahmen und Trainingsprogramme vor, die hilfreich für Problemschüler sind. Große Bedeutung hat in diesem Zusammenhang ein gut durchdachtes classroom management http://www.dr-toman.de/clmanag.PDF.
Ideal: „früh hinschauen, früh diagnostizieren, direkt mit den Kindern arbeiten, intensiv und langdauernd, multimodal fördern, Eltern einbeziehen"
"Resilienz, Kohärenz und Lebenskompetenz - im Dreiklang zur psychischem Gesundheit und Bildung. Chancen schulischer Gesundheitsförderung" - Prof. Dr. Paulus Lüneburg
Prof. Paulus leitete seine Äußerungen mit der philosophischen Frage nach dem Bild unserer Gesellschaft ein: Wofür machen wir Kinder stark? Steht hinter der Förderung der Resilienz, hinter der Kompetenzstärkung die gesellschaftliche Forderung nach immer mehr Leistung?
Ähnlich wie Inklusion ist auch Gesundheit ein Ideal, der in der Schule oft in Vergessenheit gerät. Mit Hinweis auf die KIGGS- Studie stellt er dar, dass das System Schule sehr belastet ist. Um dies zu verbessern verweist er darauf, dass zum einen das Kohärenzgefühl verstärkt werden muss (d.h. der Schüler muss das Gefühl erleben, dass seine Gedankengänge logisch, zusammenhängend und nachvollziehbar sind) und zum anderen psychische Grundbedürfnisse (Kontrolle, Orientierung, Bindung, Selbstwertstabilisierung, Lustgewinn) berücksichtig werden.
Prof. Paulus hat aus Australien das Programm Mind Matters für Deutschland erarbeitet, dass z.B. bei der BEK kostenlos zu beziehen ist (www.mindmatters-schule.de)
"Kooperatives Lernen und das Fußballspiel- eine Analogie" - C. Preuß und E. Heidemann, Münster
Die beiden Referentinnen stellten Formen des kooperativen Lernens vor und gaben hilfreiche Tipps, wie echte Kooperation gefördert werden kann, vergaßen leider bei ihrer Vorstellung die Analogie zum Fußballspiel.
Kritisch wurde angemerkt, dass durch häufige Schülerwechsel und kleine Gruppen in der Psychiatrie das Kooperieren erschwert werde. Wenn Schüler dazu in der Lage seien, die von den Referenten angesprochenen Ziele zu erreichen, würden sie in der Regel die Psychiatrie verlassen.
"Krise als Chance? - Was wir aus dem Bewältigen von Traumatisierungen lernen können." - Prof. Dr. Dr. Holtmann, Hamm
Ausgangspunkt seiner Erläuterungen war der Perspektivwechsel in der Forschung: Man schaut nicht mehr so sehr auf die Risikofaktoren, sondern der Blick geht verstärkt auf Schutzfaktoren. Im Vordergrund steht die Frage: Was lässt Kinder gesund werden/bleiben trotz traumatisierter Erfahrungen?
Resilienz versteht Prof. Holtmann als erworbene, kontextabhängige Fähigkeit, die auf individueller, familiärer und gesellschaftlicher Ressourcen zurückgeht.
Die Resilienzforschung geht insbesondere auf die KAUAI-Studie zurück. In dieser Langzeitstudie wurden Kinder, die 1955 auf der Insel Kaua´i geboren wurden, untersucht. Dabei fiel auf, dass bestimmte Kinder trotz hohem Risiko sich gesund entwickeln konnten: "Resilient infants are robust, responsive and they have learned to trust".
Wichtige Familiäre und personale Ressourcen sind
- die Fähigkeit und Möglichkeit zur Selbstregulation
- ein aktives und kontaktfreudiges Temperament
- eine gute Begabung
- die Überzeugung, durch ihr Handeln Einfluss zu haben (Selbstwirksam sein zu können)
- und das möglichst frühe Unterbrechen eines Traumas durch frühe Interventionen
Zusammenfassung und Text: Elke Wende-Löhner, Landesreferentin für Pädagogik bei Krankheit